top of page
RA Kai Recklies

BGH: Die Eigenbedarfskündigung zwecks Umwandlung einer Wohnung in Büroräume


Kündigung Eigenbedarf

Kaum ein Bereich aus dem Mietrecht hat den Bundesgerichtshof in den letzten Monaten so beschäftigt wie das Thema Eigenbedarfskündigung. So hat der BGH mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 (Az. VIII ZR 300/15) klargestellt, dass sogenannte Vorratskündigungen zur Verwirklichung eines möglichen künftigen Nutzungswillens unwirksam sind. Mit Urteil vom 14. Dezember 2016 (Az. VIII ZR 232/15) hat er – was zuvor in Rechtsprechung und Literatur durchaus anders gesehen wurde – entschieden, dass auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, also eine Kündigung zur Durchsetzung des eigenen Nutzungsinteresses, erklären kann. Und insbesondere hat er die Vorinstanzen, hierbei vor allem die Berufungsgerichte, in verschiedensten Konstellationen wiederholt ermahnt, die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Grundes zur Eigenbedarfskündigung akribisch zu prüfen und gegebenenfalls Beweis zu erheben (vgl. etwa Beschl. v. 23.08.2016 – VIII ZR 178/15 -; Beschl. v. 11.10.2016 – VIII ZR 300/15 -; Urt. v. 29.03.2017 – VIII ZR 44/16 -). Insgesamt ist dabei eine Tendenz festzustellen, die die Möglichkeiten der Vermieter, eine Eigenbedarfskündigung wirksam auszusprechen, weiter begrenzt.

In diese Richtung geht – leider – auch die letzte und wohl wichtigste Entscheidung aus der jüngsten Reihe der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Eigenbedarfskündigung. Mit Urteil vom 29.03.2017 (Az. VIII ZR 45/16) hatte der Bundesgerichtshof über die Räumungsklage einer Vermieterin zu entscheiden. Die Vermieterin hatte in Berlin ein Anwesen aus der Zwangsversteigerung erworben. Dieses wurde überwiegend von ihrem Ehemann für den Betrieb einer Beratungsgesellschaft genutzt. Das Geschäft lief offenbar so gut, dass die Beratungsgesellschaft räumlich aus allen Nähten platzte und daher nach dem Vortrag der Klägerin auch die Zweizimmerwohnung eines dort seit 1977 lebenden Mieters benötigte, um Archivräume zu schaffen. Unter Berufung hierauf sprach die Klägerin dem Mieter die Kündigung aus. Gegen diese setzte der Mieter sich gerichtlich zur Wehr, unterlag aber.

Weitergehend erhob die Vermieterin auch Räumungsklage. Mit dieser hatte sie allerdings in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg. Sowohl das Amts- als auch das Landgericht verneinten einen Räumungsanspruch mit Blick auf die in Berlin geltende Verordnung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum. Ob in Gebieten, in denen Regelungen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum existieren – dies ist etwa auch in Hannover der Fall –, eine Eigenbedarfskündigung nur wirksam ist, wenn die für die Zweckentfremdung des Wohnraums erforderliche Genehmigung bei der Kündigung bereits vorliegt oder ob es ausreicht, wenn die objektiven Umstände für die Erteilung einer Genehmigung gegeben sind und die Genehmigung später erteilt wird, ist in Rechtsprechung und Literatur seit langem umstritten. Aus diesem Grunde wurde erwartet, der Bundesgerichtshof werde mit seiner Entscheidung in dieser Hinsicht für Klarheit sorgen.

Tatsächlich kam er aber nochmals auf den Grund der Eigenbedarfskündigung zurück und nahm hierzu eine differenzierte Betrachtung vor: Er führte aus, dass das Interesse des Vermieters, einem Mieter zu kündigen, um die Wohnung in eine beruflich genutzte Fläche umzuwandeln, seinem Gewicht nach zwischen den Kündigungsgründen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – der Eigennutzung der Wohnung – und § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB – der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstückes – stehe. Allein mit dieser Aussage stellt der Bundesgerichtshof die Weichen neu, denn bisher ging die Mehrzahl der Gerichte davon aus, dass eine Eigenbedarfskündigung zur Umnutzung von Wohn- in Geschäftsräume sich zwar nicht unter § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB fassen lasse, dem darin verkörperten Interesse vom Gewicht her aber gleichkomme. Von Bedeutung ist diese Gewichtung deshalb, weil der Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB für sich genommen und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ausreicht, um eine wirksame Kündigung erklären zu können. Soll dagegen eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstückes erfolgen und muss eine Kündigung daher auf § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützt werden, bedarf es neben dem Verwertungswunsch zusätzlich des – vom Vermieter darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden – Risikos des Eintritts erheblicher Nachteile für den Vermieter für den Fall, dass er das Grundstück nicht verwerten kann. Ordnet der Bundesgerichtshof das Interesse, Wohnraum nach einer Eigenbedarfskündigung zu beruflichen Zwecken zu nutzen, seinem Gewicht nach unterhalb des durch § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geschützten Interesses ein, ergibt sich hieraus einerseits, dass das bloße Nutzungsinteresse – eben anders als bei § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – für sich genommen eine Eigenbedarfskündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Andererseits ergibt sich aus der Einordnung des genannten Interesses aber auch, dass zu dem reinen Nutzungsinteresse jedenfalls nicht – wie von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gefordert – noch das Risiko des Eintritts eines erheblichen Nachteils für den Vermieter hinzukommen muss.

Wessen es für eine wirksame Eigenbedarfskündigung neben dem Nutzungsinteresse bedarf, legt der Bundesgerichtshof nach einer weiteren Differenzierung fest. Konkret differenziert er danach, ob der Wohnraum teils als solcher und teils beruflich genutzt werden („Mischnutzung“) oder ob der Wohnraum künftig ausschließlich beruflichen Zwecken dienen soll. Ist eine Mischnutzung angestrebt, so muss nach dem Bundesgerichtshof ein beachtenswerter Nachteil drohen. Ist dagegen die Nutzung ausschließlich zu beruflichen Zwecken beabsichtigt, bedarf es eines Nachteils von einigem Gewicht. Wann dabei nicht einmal oder nur ein beachtenswerter Nachteil gegeben ist und wann ein Nachteil von einigem Gewicht droht, lässt sich abstrakt derzeit kaum absehen.


0 Kommentare
bottom of page