BGH: Verwalterhandeln kann nachträglich genehmigt werden – und für Anwaltsbeauftragung braucht es keine Alternativangebote
- RA Kai Recklies
- vor 10 Stunden
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Der BGH hat in einem für die Praxis äußerst relevanten Urteil vom 18.07.2025 (Az. V ZR 76/24) zwei zentrale Fragen für die Verwaltung von Gemeinschaften der Wohnungseigentümer (GdWE) geklärt. Erstens: Bei der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts müssen grundsätzlich keine Alternativangebote eingeholt werden. Zweitens, und von ebenso großer Bedeutung: Es steht im Ermessen der Wohnungseigentümer, eine vom Verwalter ohne vorherigen Beschluss veranlasste Maßnahme nachträglich zu genehmigen und ihr so den Segen der Gemeinschaft zu erteilen.
Problem/Sachverhalt
Der Fall betraf eine von der Klägerin als Bauträgerin errichtete Wohnungseigentumsanlage. Wegen drohender Verjährung von Mängelansprüchen am Gemeinschaftseigentum beauftragte die Verwalterin eigenmächtig – also ohne einen Beschluss der Eigentümer – drei Sachverständige zur Begutachtung der Mängel sowie eine Rechtsanwaltskanzlei zur rechtlichen Beratung. Die Gutachten, die einen Beseitigungsaufwand von rund 470.000 € ergaben, kosteten knapp 50.000 €. In einer späteren Eigentümerversammlung fassten die Eigentümer Beschlüsse, mit denen sie sowohl die Beauftragungen als auch die damit verbundenen Kosten nachträglich genehmigten. Darüber hinaus wurde die Kanzlei beauftragt, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen und hierfür eine Vergütungsvereinbarung mit Stundensätzen von bis zu 300 € für Anwälte und 150 € für Sekretariatsstunden abzuschließen. Die Bauträgerin focht diese Beschlüsse an und bekam in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Recht. Das Landgericht erklärte die Beschlüsse unter anderem für ungültig, da keine Alternativangebote eingeholt worden waren.
Entscheidung
Der BGH hob das landgerichtliche Urteil auf und stellte die ursprüngliche, klageabweisende Entscheidung des Amtsgerichts wieder her. Die Karlsruher Richter trafen dabei zwei Kernaussagen:
1. Keine Pflicht zur Einholung von Alternativangeboten bei Anwalts- und Gutachterbeauftragung: Der BGH stellte klar, dass der Grundsatz der Einholung von Vergleichsangeboten bei der Beauftragung von Rechtsanwälten und Sachverständigen nicht greift. Der Zweck von Alternativangeboten, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen von Leistungsangeboten aufzuzeigen, könne hier nicht erreicht werden. Ein reiner Preisvergleich sei wenig aussagekräftig, da der endgültige Aufwand und damit die Kosten oft nicht vorhersehbar sind. Viel entscheidender als das Honorar seien die fachliche Qualifikation und das besondere Vertrauensverhältnis, Aspekte, die sich einem Angebotsvergleich entziehen.
2. Nachträgliche Genehmigung ("Legitimation") des Verwalterhandelns: Von zentraler Bedeutung ist die Klarstellung des BGH zur nachträglichen Genehmigung von eigenmächtigen Maßnahmen des Verwalters. Auch wenn der Verwalter durch § 9b Abs. 1 WEG im Außenverhältnis wirksam Verträge für die GdWE schließen kann, schafft eine nachträgliche Genehmigung Rechtssicherheit im Innenverhältnis. Die Richter betonten, dass es im Ermessen der Wohnungseigentümer stehe, eine solche Maßnahme zu genehmigen. Eine solche Genehmigung ist jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Maßnahme selbst – also die Beauftragung der Gutachter und der Anwälte an sich – ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, wenn darüber vorher abgestimmt worden wäre. Da die Beauftragungen angesichts der drohenden Verjährung geboten und sachgerecht waren, durften die Eigentümer diesem Vorgehen nachträglich zustimmen. Dadurch wird die Willensbildung der Gemeinschaft nachgeholt und eine saubere rechtliche und finanzielle Grundlage für die Maßnahme geschaffen. Der BGH erteilt damit der Auffassung eine Absage, eine solche Genehmigung diene nur dazu, den Verwalter von einer möglichen Haftung freizustellen.
Praxistipp:
Dieses Urteil ist ein Segen für die Verwaltungspraxis. Es stärkt die Position des Verwalters in zweierlei Hinsicht erheblich:
1. Handlungsfähigkeit in Eilfällen: Verwalter können in dringenden Fällen, wie bei drohender Verjährung, die notwendigen Maßnahmen ergreifen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, formale Fehler bei der Vorbereitung der Beschlussfassung (Einholung von Alternativangeboten) gemacht zu haben. Dennoch ist es ratsam, die Auswahl des Dienstleisters (Anwalt, Gutachter) gut zu dokumentieren und die Entscheidung für die Gemeinschaft nachvollziehbar zu begründen (z.B. durch Spezialisierung, gute Erfahrungen).
2. Heilung von Formfehlern: Ebenso wichtig ist die Bestätigung, dass sich der Verwalter sein Handeln nachträglich durch einen Beschluss der Gemeinschaft "legitimieren" lassen kann. Auch wenn ein Verwalter ohne Beschluss handelt, kann dieser formale Mangel durch eine nachträgliche Genehmigung geheilt werden. Verwalter sollten daher bei allen unaufschiebbaren oder im Eifer des Gefechts ohne Beschluss getroffenen Maßnahmen proaktiv die nachträgliche Genehmigung auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung setzen. Dies schafft nicht nur Klarheit und Frieden innerhalb der Gemeinschaft, sondern minimiert auch das persönliche Haftungsrisiko des Verwalters erheblich, solange die ursprüngliche Maßnahme sachlich geboten und im Interesse der GdWE war.