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  • RA Michael Recklies

BGH: Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters beendet Kündigungssperre – kein „ewiges“ Zurückbe


Gleich zwei in der Rechtsprechungspraxis bestehende Streitfragen hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 17.06.2015 – XIII ZR 19/14 – im Wesentlichen zu Gunsten des Wohnraumvermieters beantwortet:

1.

Der Bundesgerichtshof stellt im ersten Teil der genannten Entscheidung klar, dass mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters nach § 109 Abs. 1 Satz InsO die Kündigungssperre des § 112 InsO keine Gültigkeit mehr hat, weder im Insolvenzverfahren noch in dem sich daran anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren.

Der Bundesgerichtshof stellt weiter ein für alle Mal außer Zweifel, dass ein vor Insolvenzeröffnung aufgetretener Verzug des Mieters in Bezug auf die Erfüllung seiner Mietzinszahlungspflicht nicht mit der Insolvenzeröffnung endet, sondern fortbesteht.

Dies hat zur Folge, dass der Vermieter nach Abgabe der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs auch auf die vor Insolvenzantragstellung aufgelaufenen Rückstände des Mieters stützen kann. In dem konkreten zur Entscheidung anstehenden Fall hatte ein Wohnraummieter in der Zeit zwischen März 2009 bis Oktober 2012 die Miete nur zum Teil oder überhaupt nicht gezahlt. Er machte geltend, die Miete sei während dieses Zeitraums wegen eines Schimmelpilzbefalls gemindert gewesen, im Übrigen habe ihm ein den Verzug ausschließendes Zurückbehaltungsrecht zugestanden.

Nachdem der Gesamtbetrag der zurückgehaltenen Miete mehr als 27 Monatsmieten erreichte, erklärte der Vermieter die fristlose Kündigung wegen Zahlungsrückstandes.

Im weiteren Verlauf des sich anschließenden Räumungsverfahrens kündigte der Vermieter erneut wegen Zahlungsrückstandes, nachdem der Betrag der aufgelaufenen Mietforderungen mittlerweile mehr als 30 Monatsmieten erreicht hatte.

Im Mai 2010 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters eröffnet. Am 01.07.2010 wurde seitens des vorläufigen Insolvenzverwalters die Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO erklärt, die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte am 18.01.2012 mangels Masse.

Der Mieter war durch das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts zur Räumung verurteilt worden, auf seine Berufung hatte das Landgericht die Räumungsklage des Vermieters abgewiesen, wogegen der Vermieter Revision einlegen ließ.

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil die erstinstanzliche Entscheidung wieder hergestellt, und die Richtigkeit des Räumungsurteils bestätigt.

Zur Begründung der Entscheidung führt das Urteil aus, dass der Schutzzweck des § 112 InsO nicht darin besteht, den Insolvenzschuldner vor den Forderungen des Gläubigers zu schützen, sondern die Insolvenzmasse im Hinblick auf eine mögliche Fortführung eines Unternehmens des Insolvenzschuldners. Es ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht Sinn und Zweck der Kündigungssperre, einen vertragsuntreuen Mieter vor dem Verlust seiner Wohnung zu bewahren.

Da außerdem die Insolvenzeröffnung nicht zur Folge hat, dass ein vorher bestehender Zahlungsverzug untergeht, kann nach der „Freigabeerklärung“ der Wohnung seitens des Insolvenzverwalters auch ein vor der Insolvenzantragstellung entstandener Rückstand jedenfalls zusammen mit neu hinzugekommenen Rückständen zum Gegenstand einer fristlosen Kündigung gemacht werden.

2.

Da sich der Mieter gegenüber dem Räumungsantrag auch damit zur Wehr gesetzt hatte, dass ihm wegen des Schimmelpilzbefalls ein Zurückbehaltungsrecht an der gesamten Miete zustehe, hat sich der Bundesgerichtshof auch mit diesem Teil der Argumentation des Mieters befasst.

Er hat diese in der Rechtsprechung seit längerem streitige Frage dahingehend beantwortet, dass es keine „Faustregel“ gibt, in welchem betragsmäßigen und zeitmäßigem Umfang ein Mieter bei bestehenden Mängeln einer Wohnung ein Zurückbehaltungsrecht an der vereinbarten Miete geltend machen kann.

Die Bewertung ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs Sache des jeweiligen Tatrichters. Andererseits stellt der BGH in der genannten Entscheidung klar, dass es kein „ewiges und endloses“ Zurückbehaltungsrecht des Wohn- oder Gewerberaummieters an der vereinbarten Miete.

Es ist deshalb nach Auffassung des BGH insbesondere nicht angemessen, dem Mieter ein Leistungsverweigerungsrecht ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder des Gesamtbetrags der Mängelbeseitigungskosten zu erstrecken.

Vielmehr vertritt der BGH die Meinung, dass der Vermieter bereits durch die Minderung der Miete einem entsprechenden wirtschaftlichen Druck zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Wohnung oder des Gewerberaums ausgesetzt ist.

Deshalb darf – so der BGH – der Wohnraummieter sein Zurückbehaltungsrecht insbesondere bei Mängeln, die die Gebrauchstauglichkeit nur im beschränkten Umfang mindern, nur schonend und sowohl zeitlich als auch betragsmäßig begrenzt ausüben.

Er könne dabei wählen, ob er entweder die gesamte Miete für einen kurzen Zeitraum oder einen Teil der Miete für einen etwas längeren Zeitraum einbehalte.

Einen dauernden Einbehalt der Gesamtmiete für einen längeren Zeitraum gesteht der Bundesgerichtshof jedoch dem Mieter bei Mängeln, die nur zu einer anteiligen Minderung der Miete führen, nicht zu.


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